Der Wandel zum/zur Lernbegleiter*in

Wie Trainer*innen, Dozent*innen & Coaches zu Lernbegleiter*innen werden.

Lebenslanges Lernen wird zu einer zentralen Kompetenz in unserer Arbeitswelt. Dabei sind unbestritten, dass der Umfang des verfüg- und nutzbaren Wissens und die Geschwindigkeit des Zugewinns an neuem Wissen, genauso signifikant steigen, wie die Intensität an Veränderungen, die wir weltweit im 21. Jahrhundert erleben. Und das Ganze bereits auch schon ohne eine Corona-Pandemie, die uns alle mit neuen und unerwarteten Herausforderungen konfrontiert.

Diese Veränderungsintensität macht die Vorhersehbarkeit und Prognostizierbarkeit von Ereignissen sowie die dafür geeigneten Strategien für Unternehmen und natürlich für die gesamte Gesellschaft schwieriger, mehrdeutiger, komplexer, aber eben auch unsicherer. Mit dem Akronym „VUCA-Welt“ beschreiben wir seit Jahren ganz zutreffend, wie ich finde, diese Situation.

Konsequenzen für die aktuelle Arbeitswelt 4.0 – Future Learning & New Work

Mit klassischem Vorratslernen können die Mitarbeiter*innen nicht auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet werden.

In Unternehmen stellt sich dadurch die wichtige Frage, welches Wissen, welche Fertigkeiten und welche Kompetenzen mit Blick auf die Zukunft auszubilden, weiterzubilden, zu trainieren oder zu coachen usw. sind.

Detailliert und vollständig prognostizierbar ist dieser Bedarf nicht mehr. Dies hat zur Folge, dass es in Unternehmen darauf ankommen wird, Führungskräfte und Mitarbeiter*innen für das Handling von neuartigen und unsicheren Situationen zu stärken. Rolf Arnold spricht in diesem Zusammenhang von einer „Pädagogik der Kompetenzstärkung“ (Arnold, 2017, S. 82).

Bei diesen Lernkonzepten für konkrete Entwicklungsmaßnahmen kann es nicht mehr um detaillierte vorweg genommene Abbildungen des erwarteten Wandels gehen. Vielmehr kann es nur darum gehen,

„… die Fähigkeit der Menschen zu stärken, mit neuen Anforderungen, gleich welcher Art, dann erfolgreich umzugehen, wenn sie mit Ihnen konfrontiert werden.“

(Arnold, 2017, S. 83)

Menschen benötigen demnach Kompetenzen und damit Werte als Ordner und Struktur, um damit selbstorganisiert und selbstverantwortlich umgehen zu können.

Welche Kompetenzen werden demnach benötigt?

Die Antwort lautet: Handlungskompetenzen.

Im Folgenden gehe ich von dem Kompetenzbegriff nach John Erpenbeck und Volker Heyse (2007) aus, der sich handlungsorientiert in der beratenden und betrieblichen Praxis bewährt hat. Dieser Begriff orientiert sich an den realen Herausforderungen und Problemstellungen in Unternehmen, Institutionen und NGO’s.

Demnach sind Kompetenzen Fähigkeiten, um in offenen, unüberschaubaren, komplexen, dynamischen und zuweilen chaotischen Situationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln (Erpenbeck und Heyse 2007). Dieser Kompetenzbegriff und dieses Kompetenzmodell basieren auf dem Prinzip der Selbstorganisation.

Dabei bilden vier Basiskompetenzen einen geeigneten Rahmen: Personale Kompetenzen, Aktivitätskompetenzen, Soziale Kompetenzen und Methodische Kompetenzen. Erpenbeck & Sauter (2021) haben aktuell diese vier Basiskompetenzen in jeweils vier Teilkompetenzen mit konsequenter Handlungsorientierung, wie z.B. Selbstorganisiertes Handeln, kollaboratives Handeln, Erfahrungsorientiertes Handeln usw. untergliedert (Erpenbeck & Sauter,2021). Unter den Gesichtspunkten der Nachvollziehbarkeit und Transparenz wird das Werte- und Kompetenzmanagement für Unternehmen und ihre Entwicklungsmaßnahmen von Führungs- und Fachkräften damit noch handhabbarer und zielführender.

Unmittelbar verbunden mit Kompetenzen sind Werte, weshalb ich hierauf kurz eingehen möchte. Nach Sauter (2021) sind Werte Ordner, die menschliche Selbstorganisation bestimmen. Werte ermöglichen ein Handeln unter Unsicherheit, weil sie fehlendes Wissen überbrücken oder ersetzen. Sie schließen also die Lücke zwischen Wissen und Handeln. Werte sind die Kerne von Kompetenzen.

Für ein starkes Selbst in starken Unternehmen!

Die wirksame Entwicklung von Kompetenzen führt zu zahlreichen positiven Effekten für die Menschen. Nach Arnold korrelieren beispielsweise Kompetenzerfolge „… mit der Intensität erlebter Selbstwirksamkeit, Selbststeuerung und Selbstverantwortung – der grundlegenden Substanz von […] des lebenslangen Lernens“ (Arnold, 2017, S. 60).

Dies kann ich aus meiner beruflichen Praxis bestätigen. Die bewusste und erfolgreiche Entwicklung von Handlungskompetenzen führt bei Menschen zum persönlichen Erleben von Handlungsfähigkeit, Selbstwirksamkeit sowie Selbststeuerung und zeigt sich in einem gesteigerten Selbstwertgefühl, welches sich positiv auf die persönliche Gesundheit und Resilienz auswirkt.

Diese zusätzlichen Effekte sind für mich persönlicher Ansporn in meiner täglichen Arbeit mit Unternehmen, Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Wir bei JOLECO sprechen deshalb von „Für ein starkes Selbst in starken Unternehmen!“

Wandel zum*zur Lernbegleiter*in

„Werte und Kompetenzen können nicht in klassischen Seminaren vermittelt werden.“ (Erpenbeck & Sauter, 2021, S. 111) Viel mehr basieren sie auf langfristigen Lernprozessen bei der Bewältigung von realen Herausforderungen in der Praxis.

Im Fokus dieses neuen Zielbildes stehen selbstorganisiertes, selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Lernen. Den Rahmen dafür wird mit einem Fokus auf informellem Lernen (ohne natürlich das notwendige formale Lernen im Kontext von der Vermittlung von Grundlagen- und Fachwissen sowie beruflichen Qualifizieren ganz aus dem Blick zu verlieren) Ermöglichungsräume (technisch z.B. als Learning Experience Plattformen (kurz: LXP)) und physischen Gruppen (z.B. als Learning Experience Groups) gebildet.

Das zunehmend verschmelzende Lernen und Arbeiten in diesen Ermöglichungsräumen wird dabei mit Lernkonzepten zur Kompetenzentwicklung, wie z.B. Social Blended Learning und Social Workplace Learning, gefüllt (Sauter, 2021). Innerhalb dieser Lernkonzepte werden formales Lernen, die z.B. in Workshops und mittels E-Learning stattfinden, mit informellem Lernen durch Transferaufgaben und in konkreten Praxisprojekten kombiniert.

Im Zuge des selbstgesteuerten und selbstorganisierten Lernens wandelt sich unsere Rolle als Dozent*innen, Trainer*innen und Coaches zum Lernbegleiter bzw. zur Lernbegleiterin.

Als Lernbegleiter*innen begleiten wir systemisch und reflektiv lernende Erwachsene in ihrer beruflichen Entwicklung und befähigen sie zu einem selbstgesteuerten sowie selbstbestimmten Lernen und persönlichen Entwickeln.

Wir navigieren Sie durch die Ermöglichungsräume, Seminar- und Workshop-Arrangements, E-Learning-Angebote und durch die vielschichtigen Lernarrangements des Social Blended oder Social Workplace Learning. Gleichzeitig unterstützen wir die Teilnehmer*innen bei Bedarf in der selbstorganisierten Planung sowie Steuerung ihrer persönlichen Entwicklungsprozesse. Lernbegleiter*innen erzeugen ein emotional positives Umfeld für die persönlichen, selbstorganisierten Lernprozesse und ermutigen die Teilnehmer*innen bei der Umsetzung ihrer Ziele.

Erste einfache Schritte zum*zur Lernbegleiter*in

Wie gelingt dieser Rollenwechsel? In meiner täglichen Praxis habe ich mit den folgenden einfachen Schritten schnell positive Effekte erzielt:

  • Knüpfen Sie immer an dem Erfahrungswissen Ihrer Teilnehmer*innen an
  • Praktische Übungen zum persönlichen Handeln und Erleben in den Mittelpunkt stellen und mit einer Reflexion verknüpfen
  • Theoretische Impulse soweit wie möglich reduzieren
  • Vielfältige Reflexionsmomente fördern, z.B. persönliche Entwicklungsziele, bisherige Lernerfahrungen, Was hat bisher schon gut funktioniert? Was nicht? …
  • Begleitung und begleitendes Coaching, insbesondere beim E-Learning und in den Selbstlernphasen anbieten
  • Gemeinsam mit dem Auftraggeber darauf achten, dass die Teilnehmer*innen möglichst freiwillig teilnehmen und auch wissen warum bzw. was der Sinn des Seminars ist
  • Erreichtes, wie z.B. selbsterarbeitete Lösungen und Erfolge sichtbar machen
  • Ergebnisse aus den Selbstlernphasen allen Teilnehmer*innen zugänglich machen
  • Eine wertschätzende und positive Atmosphäre schaffen
  • Vielfältige mediale Angebote/Formate bereitstellen (z.B. Video, Podcast, Handgeschriebenes, Sway usw.)
  • Einfach zu nutzende und zugängliche Tools, wie z.B. MS-365 / Teams, MIRO, Easy Retro usw. für die kollaborative Zusammenarbeiten anbieten

Noch effektivere und professioneller Instrumente wie z.B. eine systemisch erarbeitete Lernbiografie oder Lernportfolien sind dann Teil einer professionellen Weiterbildung zum Lernbegleiter.

Bei uns, und damit meine ich JOLECO, startet ab September wieder der Online Zertifikatslehrgang „Lernbegleiter*in“. Hierbei haben wir die aus meiner Praxis erfolgswirksamen Elemente einem systematischen Prozess von sechs Schritten des*der Lernbegleiter*in-Prozesses integriert und aktuelle Forschungsergebnisse aus den Bereichen der Werte, Kompetenzen, Neurowissenschaft und Positiver Bildung bzw. Positive Psychologie aufgenommen.

Fazit

Im Kontext der Digitalen Transformation erfordern Future Learning & New Work die konsequente und zielgerichtete Entwicklung von Handlungskompetenzen für alle berufstätige Menschen, egal welcher Branche und Rolle. Gleichzeitig fördern Handlungskompetenzen das selbstorganisierte, selbstbestimmte und selbstverantwortete Lernen in informellen Lernkontexten und optimaler Weise an realen Herausforderungen in der Praxis.

Damit ändern sich die Anforderungen für Dozent*innen und Trainer*innen. Statt die klassische Wissensvermittlung, in teilweise immer noch frontalen Seminarsettings, rückt der Bedarf an eine systemische und reflektive Begleitung von lernenden Erwachsenen in den Mittelpunkt.

Für Fragen, Anregungen oder vertiefende Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!

Barbara Kleditzsch
Zertifizierte Werte- & Kompetenzmanagerin ValCom®
Zertifizierte PERMA-LEAD® Beraterin

Telefon: +49 (0) 1523 – 18 456 93
E-Mail: bk@jointlearningconcept.com

JOLECO GmbH ist ein ISO-zertifiziertes Unternehmen in der Erwachsenenbildung. Unsere Lerndienstleistungen sind sowohl in der Struktur der DIN ISO-Norn 29993, als auch in der Umsetzung in Form von Lernangeboten, Beratung & Coaching hochqualitativ durchgeführt.

Literatur-Verzeichnis & -Empfehlungen

Arnold, R. (2017). Entlehrt Euch! Ausbruch aus dem Vollständigkeitswahn. hep-Verlag

Dweck, C. (4. Aufl. 2020). Selbstbild. Piper

Erpenbeck, J. & Heyse, V. (2007). Die Kompetenzbiografie. Wege der Kompetenzentwicklung (2. Aufl.). Waxmann.

Erpenbeck, J. & Sauter, W. (2021). Future Learning und New Work. Das Praxisbuch für gezieltes Werte- und Kompetenzmanagement. Haufe (erscheint 2021)

Fredrickson, B. L. (2011). Die Macht der guten Gefühle: wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Campus Verlag.

Sauter, R., Sauter, W., Wolfing, R. (2018). Agile Werte- und Kompetenzentwicklung. Wege in eine neue Arbeitswelt. Springer Gabler