„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“
Vermutlich stammt dieses Zitat aus China. Ganz sicher ist das nicht. Aber unabhängig von seiner wirklichen Quelle steckt viel zeitlose Lebensweisheit darin. Mich ermutigt es dazu, in Zeiten des Wandels, Chancen zur positiven Gestaltung und Weiterentwicklung zu sehen.
Die täglichen Anlässe zum Wandel in bzw. von Teams sind vielfältig. Mal sind sie tiefergehend und von grundlegender Natur. Mal eher an der Oberfläche verortet. Im letzteren Fall kann eine kurze, aber klare Abstimmung im Team ausreichen, damit es produktiv weitergehen kann.
Bei den Buchhandlungen Straß und MÄX & MORITZ aus Baden-Baden ging es im Jahr 2024 jedoch um eine sehr grundlegende Veränderung: Die beiden Buchhandlungen mit ihren jeweils unterschiedlichen Kundenausrichtungen und Angeboten wurden in einem neuen Ladengeschäft in Baden-Baden zusammengeführt, dem EULENNEST.
Wird aus zwei Teams eins?
Es wurde also nicht nur ein neuer Ort gefunden, sondern auch die jeweiligen Leitungen und Teams, die beiden Arbeits- und Unternehmenskulturen sowie die bis dahin unterschiedlichen Prozesse und (liebgewonnene) Routinen wurden zusammengeworfen.
Die spannende Frage war nun, wie möglichst alle dazu bewegt werden können, Windmühlen zu bauen. Wie lassen sich Blockade-Haltungen und Widerstände so transformieren, dass sie nicht dem Bau von Mauern dienen, sondern als Wind die Windmühlen des Neuen antreiben?
Der Prozess zur Teamentwicklung
Ausgehend von unseren vielfältigen Praxiserfahrungen mit sehr unterschiedlichen Anliegen und Teamsituationen haben wir gemeinsam mit der Geschäftsleitung des EULENNEST den folgenden Weg eingeschlagen:
1. Vorgespräch mit der Geschäftsleitung
In einem sehr offenen Gespräch zur vertiefenden Auftragsklärung haben wir uns mit den beiden Geschäftsleiter:innen ausgetauscht, die die bisherigen Geschäfte jeweils allein geleitet hatten. Insbesondere wurden diese Themen besprochen:
- ihre Wahrnehmungen der aktuellen Situation des Teams am neuen Ort
- die aktuellen Herausforderungen, z.B. mit den neuen bzw. teilweise noch alten Prozessen
- ihre derzeitigen Ziele und langfristige Vision für das EULENNEST
- ihre persönlichen Erwartungen an den gemeinsamen Teamtag
Viele Aspekte wurden dabei durch unser Zuhören und dann (Nach-)Fragen geschärft. Allein dadurch wurde schon sichtbar, wie hilfreich ein externer Blickwinkel zuweilen sein kann.
Auf der Basis dieses Gesprächs konnten wir dann gemeinsam mit der Geschäftsleitung die konkreten Ziele für den Teamtag festlegen:
- Kenne ich meine Rolle und die der anderen in unserem neuen gemeinsamen Team?
- Sind mir meine Stärken bewusst und kenne ich die jeweiligen Stärken sowie Kompetenzen aller anderen Teammitglieder?
- Wie funktioniert aktuell unsere Zusammenarbeit und was werden wir künftig anders machen?
2. Zusammenkommen im Outdoor-Workshop
Anfang Oktober war es dann so weit. Für den Teamtag war diesmal ein Outdoor-Workshop das Mittel der Wahl. Die überraschend niedrigen Temperaturen und den leichten Nieselregen zum Beginn hatten wir eigentlich nicht bestellt.
Doch sobald es mit dem symbolischen Eintritt in einen gemeinsamen Kreis des Teamtages losging, klarte auch das Wetter auf und tauchte den Schwarzwald in eine friedliche und gelassene Szenerie des Loslassens, wie sie nur den Herbsttagen vorbehalten ist.
So wurde unser weiterer Weg in der Natur zur einer Quelle der Inspiration. An diesem Tag wurden andere als die gewohnten Perspektiven des beruflichen Alltags möglich.
„Der handlungsorientierte Ansatz überzeugt in der Unterstützung von Lern- und Entwicklungsprozessen durch seine enge Koppelung von Tätigkeit und Reflexion vor dem Hintergrund eines bio-psycho-sozialen Lernverständnisses. Ein differenzierter Blick auf die Nutzung von Erfahrungen, die implizite und explizite Wirkungen hervorrufen, wird zur Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten genutzt. Ziel ist die bessere Passung von Handlungsmöglichkeiten zu Aufgaben und Zielen von Personen, Teams und Organisationen.“
Univ.-Prof. Mag. Dr. Günter Amesberger, Universität Wien
Quelle: Handlungsorientierte Personal-, Team- und Organisationsentwicklung nach IOA®
Für die Teamaufgaben hatten wir an verschiedenen Stationen vor allen Dingen analoge Methode eingeplant:
- Aufgabe 1: Weg der Stille mit konkreten Fragestellungen zur persönlichen Einstimmung auf den Teamtag
- Aufgabe 2: Gemeinsam einen Turm bauen mit Fokus auf die aktuelle Zusammenarbeit
- Aufgabe 3: Die Resonanzbildmethode nach Gisela Schmeer zum visuellen Lernen in der Gruppe mit Fokus auf die aktuelle Teamsituation und die jeweiligen wahrgenommenen Rollen der Teilnehmer:innen
- Gemeinsames Picknick: Alle Teilnehmer:innen hatten etwas persönliches mitgebracht. Beim genussvollen Essen in der gemeinsamen Mittagspause ergaben sich viele Gelegenheiten zum persönlichen Gespräch und produktiven Austausch außerhalb des Alltagstrubels.
- Aufgabe 4: Gemeinsame Skulptur-Arbeit mit Naturmaterial. Im ersten Schritt mit Fokus auf die aktuelle Organisation und Prozesse, im zweiten Schritt mit Blick auf das, was künftig sein kann. Alle brachten dabei ihre Gedanken und Vorschläge ein. Aus der Veränderung der Skulptur vom ersten zum zweiten Schritt konnte das Team konkrete Maßnahmen zur Umsetzung ableiten.
- Aufgabe 5: Stärkenmarkt mit Fokus auf vorhandene Ressourcen und Schätze – wer bringt welche Stärken in die gemeinsame Arbeit für zufriedene Kunden ein? Wer kann deshalb welche Aufgaben besonders gut übernehmen? An wen kann ich mich aufgrund welcher Stärken wenden?
Im Anschluss an jede Aufgabe wurden die persönlichen Erlebnisse und gewonnen Eindrücke gemeinsam im Forum reflektiert und mit Blick auf die Ziele des Teamtags aufgearbeitet, um sie in den beruflichen Alltag übertragen zu können.
Die Abschlussrunde spiegelten die vielfältigen Erkenntnisgewinne aller Teilnehmer:innen in Bezug auf das Team und die Organisation und ihre systemischen Wechselwirkungen wider.
Auch der SWR hat uns beim Teamtag begleitet – hören Sie rein
3. Nachbesprechung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
Die Ergebnisse des Teamtags haben wir in einer umfänglichen Dokumentation mit vertiefenden Impulsen und den Fotos des Tages detailliert zusammengefasst. Darin hatten wir alle Vorschläge der Teilnehmer:innen des Teamtags ebenso wie unsere zusätzlichen Handlungsempfehlungen als Berater:innen in Bezug auf die weitere Team- und Organisationentwicklung erfasst.
Neben Maßnahmen, die sich aufgrund Ihrer großen Hebelwirkung langfristig auf die Entwicklung des EULENNEST positiv auswirken werden, haben wir in der gemeinsamen Nachbesprechung mit der Geschäftsleitung auch ganz einfache und konkrete Aktivitäten wie z.B. die Einführung eines KANBAN-Bords zur täglichen Aufgaben- und Prozessstrukturierung besprochen. Dadurch werden für alle Teammitglieder sicht- und spürbare Quick Wins möglich.
Wie kann es weitergehen
Das Zusammenwachsen und Weiterentwickeln von Arbeitsteams – umgangssprachlich häufig als Teambuilding bezeichnet – ist kein einmaliger Akt, z.B. an einem Teamtag, sondern findet im täglichen Zusammenwirken der Teammitglieder fortlaufend statt. Das gilt insbesondere dann, wenn neue Mitarbeiter:innen dazustoßen, neue Aufgabe und/oder Prozesse z.B. im Zuge der Digitalisierung hinzukommen oder auch Mitarbeiter:innen das Team bzw. das Unternehmen verlassen
Vieles geschieht dabei unbewusst und sollte deshalb bewusst durch Führungskräfte im Alltag sowie punktuell durch Berater:innen begleitet werden. Diese können mit ihren externen Impulsen eine zusätzliche Reflektionsfläche anbieten, die in einem mit Routinen eingeschwungenen Alltag nicht zur Verfügung steht. Dadurch werden neue Perspektiven, Gedankenanstöße und im besten Fall neue Initiativen möglich.
Um die Ergebnisse aus einem Teamtag im Alltag zu stabilisieren und eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Teams als Grundlage des Unternehmenserfolgs zu etablieren, schlagen wir die folgenden Schritte als FollowUp vor:
- Jour Fixe mit der Geschäftsleitung zum aktuellen Umsetzungstand der beschlossenen Massnahmen aus dem Teamtag und zu aktuellen Herausforderungen.
- Supervisionseinheiten mit dem Team und / oder der Geschäftsleitung, d.h. kurze (z.B. 2 bis 4 Stunden), aber regelmäßige Treffen (z.B. einmal im Quartal), um konkrete Praxisfälle, etwa aus der Kundenarbeit oder aus der Teamarbeit in Bezug auf Kommunikation, Kooperation, Konflikte usw. aufzuarbeiten und konkrete Lösungen zu entwickeln, um gemeinsam von und miteinander zu lernen.
- Teammeeting in einem kürzen Rahmen von z.B. von 3 bis max. 4 Stunden, um gemeinsam auf den aktuellen Umsetzungstandes des letzten Teamtages zu schauen sowie die aktuelle Art und Weise der Zusammenarbeit zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
Aufgrund zahlreicher positiver Erfahrungen nutzen wir dafür beispielsweise die Methode des „Hausrundgangs“: Dabei durchstreifen die Teilnehmer:innen im Dialog verschiedene Zimmer. In den Zimmern setzen sie sich dann mit verschiedenen Fragestellungen auseinander und entwickeln dafür konkrete Lösungsvorschläge. Wie im wirklichen Leben kann jedes Haus aus verschiedenen Zimmern bestehen, so dass jeder Hausrundgang bedarfsorientiert und individuell gestaltet werden kann.
Mit einer sinnvoll abgestimmten Kombination dieser einzelnen Aktivitäten begleiten wir effektiv erfolgreiche Teams über einen längeren Zeitraum – auch über einen Teamtag hinaus.
Wann ist eine gezielte Teamentwicklung sinnvoll?
Ein Teamtag oder eine Teamklausur, ob draußen oder drinnen, bietet Raum für verschiedenste Anknüpfungspunkte einer bedarfsorientierten Teamentwicklung.
Neben einer Zusammenführung von mehreren Teams, wie in unserem Praxisfall, bei der das Teambuilding im Fokus stand, zählen zu diesen möglichen Anknüpfungspunkten insbesondere:
- Teamkultur, -normen & -regeln
- Teamziele
- effektive & wirksame Zusammenarbeit
- Teamspirit & -zugehörigkeit
- Kommunikation & Konfliktlösungsfähigkeit
Wo steht Ihr Team?
Stehen auch bei Ihnen Veränderungen an? Dann kann es für Sie eine Unterstützung sein, sich mit den folgenden Fragen zu beschäftigen:
- In welche Richtung wollen wir?
- Haben wir eine Vision davon, wie die Zukunft sein soll? Wie soll das Aussehen? Was werden wir dort wie erleben?
- Welche konkreten Ziele verfolgen wir und bis wann?
- Worin werden wir besser sein? Was brauchen wir dafür?
- Welche Kernfragen müssen wir uns dafür stellen?
- Wo gibt es Windmühlen und an welchen Stellen vielleicht Mauern?
- Woran werden wir uns im Veränderungsprozess orientieren können?
- Welche gemeinsamen Regeln werden bei uns verbindlich gelebt? Welche „geheimen“ Regeln gibt es vielleicht?
- Wann haben wir im Team das letzte Mal offen und konkret über die Art und Weise gesprochen, wie wir zusammenarbeiten?
- Gibt es Themen oder vielleicht sogar „rosa Elefanten“, die im Raum stehen und uns bremsen?
Für Fragen, Anregungen oder vertiefende Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!

Daniel Kleditzsch
JOLECO GmbH
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